Blutdruck im Alter

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Blutdruck im Alter: Normwerte, Risiken und wann ein Arztbesuch wichtig ist

Ein stabiler Blutdruck ist einer der wichtigsten Bausteine für die Herz-Kreislauf-Gesundheit. Mit zunehmendem Alter verändern sich unsere Blutgefäße und damit oft auch die Blutdruckwerte. Aber was gilt als normal? Welche Zielwerte empfehlen Ärztinnen und Ärzte? Und wann ist es Zeit, medizinischen Rat einzuholen? Dieser Ratgeber erklärt alles Wichtige – auf Grundlage der Deutschen Hochdruckliga, der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC/ESH) und der WHO.


Was ist Blutdruck?

Der Blutdruck gibt an, mit welchem Druck das Blut durch die Arterien fließt. Er wird in Millimeter Quecksilbersäule (mmHg) gemessen und besteht aus zwei Werten:

  • Systolischer Wert (oberer Wert): Druck in den Gefäßen, wenn sich das Herz zusammenzieht und Blut in den Kreislauf pumpt.
  • Diastolischer Wert (unterer Wert): Druck in der Entspannungsphase des Herzens.

Beispiel: „120/80 mmHg“ bedeutet, dass der systolische Wert 120 mmHg und der diastolische Wert 80 mmHg beträgt.


Normwerte für Blutdruck nach Alter

Generell optimal für Erwachsene:

  • Unter 120/80 mmHg – laut WHO und ESC/ESH-Leitlinien.

Einteilung nach ESC/ESH:

  • Optimal: < 120 / < 80 mmHg
  • Normal: 120–129 / 80–84 mmHg
  • Hoch-normal: 130–139 / 85–89 mmHg
  • Hypertonie Grad 1: ≥ 140 / ≥ 90 mmHg

Empfehlungen für ältere Menschen:

  • Deutsche Hochdruckliga: Bei gesunden Senior:innen sind systolische Werte zwischen 130 und 139 mmHg wünschenswert, wenn gut verträglich.
  • Bei gebrechlicheren Personen über 80 Jahren können Werte bis 140–150 mmHg akzeptabel sein – immer abhängig von der individuellen Situation.

Durchschnittswerte nach Alter (Orientierung):

AlterMänner ØFrauen Ø
18–39 Jahre119/70 mmHg110/68 mmHg
40–59 Jahre124/77 mmHg122/74 mmHg
60+ Jahre133/69 mmHg139/68 mmHg

Wichtig: Diese Werte sind Durchschnittswerte und kein Ersatz für persönliche Zielwerte, die der Arzt oder die Ärztin festlegt.


Warum steigt der Blutdruck mit dem Alter?

Mit den Jahren verlieren die Blutgefäße an Elastizität. Das Herz muss stärker pumpen, um den Blutfluss aufrechtzuerhalten, was den systolischen Druck erhöht. Häufig entsteht dabei eine isolierte systolische Hypertonie, bei der nur der obere Wert zu hoch ist – ein typisches Altersphänomen.


Wann sollte man zum Arzt?

Ein Arztbesuch ist sinnvoll, wenn:

  1. Werte wiederholt ≥ 140/90 mmHg liegen.
  2. Bei Hoch-normalen Werten (130–139 / 85–89 mmHg) zusätzlich Risikofaktoren bestehen – z. B. Diabetes, Nierenerkrankungen, Herzprobleme.
  3. Symptome auftreten wie:
    • Schwindel
    • Kopfschmerzen (besonders morgens)
    • Herzklopfen oder Rhythmusstörungen
    • Atemnot
    • Ohrensausen
    • Übelkeit oder Nasenbluten
  4. Blutdruck stark schwankt oder deutlich höher ist als sonst.
  5. Bei älteren Menschen Werte im Bereich 140–150 mmHg bestehen – insbesondere, wenn weitere Risikofaktoren vorliegen.

Blutdruck richtig messen

Regelmäßige Messungen zu Hause sind wichtig, um verlässliche Werte zu erhalten und den Weißkittel-Effekt (erhöhte Werte durch Aufregung in der Praxis) zu vermeiden.

Tipps für die korrekte Messung:

  1. 30 Minuten vor der Messung: kein Sport, kein Kaffee, kein Rauchen.
  2. 5 Minuten in Ruhe sitzen.
  3. Füße flach auf den Boden, Oberarm auf Herzhöhe, Manschette korrekt anlegen.
  4. Mindestens 2–3 Messungen im Abstand von 1–2 Minuten, Mittelwert notieren.
  5. „Mess-Arm“ bestimmen: Beide Arme testen, künftig den mit dem höheren Wert nutzen.
  6. Medizinisch validierte Geräte mit Prüfsiegel der Deutschen Hochdruckliga verwenden.

Risikofaktoren für Bluthochdruck

  • Genetik (familiäre Vorbelastung)
  • Übergewicht
  • Bewegungsmangel
  • Ungesunde, salzreiche Ernährung
  • Hoher Alkoholkonsum
  • Rauchen
  • Dauerstress
  • Bestimmte Medikamente (z. B. Kortison)

Folgen unbehandelten Bluthochdrucks

Hypertonie schädigt Gefäße und Organe oft unbemerkt. Mögliche Komplikationen:

  • Herzinfarkt
  • Schlaganfall
  • Herzschwäche (Herzinsuffizienz)
  • Nierenschäden
  • Netzhautschäden und Sehverlust
  • Demenzrisiko steigt

Prävention und Behandlung

Lebensstil als erste Maßnahme:

  • Salzarme Ernährung, viel Obst und Gemüse.
  • Regelmäßige Bewegung (mind. 150 Min./Woche).
  • Alkoholkonsum reduzieren, nicht rauchen.
  • Stressmanagement (z. B. Entspannungstechniken).

Medikamente:

  • Falls Lebensstiländerung allein nicht reicht, verschreibt der Arzt Blutdrucksenker – oft als Kombination verschiedener Wirkstoffe.
  • Wirkung kann erst nach mehreren Wochen spürbar werden.
  • Regelmäßige Kontrollmessungen bleiben Pflicht.

Häufige Mythen über Blutdruck

  • „Nur Männer haben Bluthochdruck.“
    Stimmt nur für jüngere Altersgruppen – ab 60 sind Frauen gleich häufig betroffen.
  • „Praxismessung ist immer zuverlässig.“
    Kann durch den Weißkittel-Effekt verfälscht sein.
  • „Leichte Hypertonie ist harmlos.“
    Bereits leicht erhöhte Werte steigern das Herz-Kreislauf-Risiko.
  • „Hohe Werte im Alter sind normal und unproblematisch.“
    Nein – sie sollten ärztlich beurteilt werden.
  • „Medikamente allein reichen.“
    Lebensstiländerung ist immer notwendig.

Ein gesunder Blutdruck schützt Herz, Gehirn, Nieren und Augen – in jedem Alter. Für Erwachsene gelten < 120/80 mmHg als optimal. Im Alter können Zielwerte leicht angepasst werden, sollten jedoch selten über 140/90 mmHg liegen.
Regelmäßige Kontrollen, ein gesunder Lebensstil und ärztliche Begleitung sind die wirksamsten Strategien gegen Bluthochdruck und seine Folgen.

Die offiziell empfohlenen Normalwerte für Blutdruck haben sich in den letzten Jahrzehnten durchaus verändert, und zwar aus mehreren Gründen: neue wissenschaftliche Erkenntnisse, große Langzeitstudien und unterschiedliche Interpretationen durch Fachgesellschaften.

Hier ein Überblick:


1. Früher (1970er–1990er)

  • In vielen älteren Lehrbüchern galt bis 160/95 mmHg im Alter noch als „akzeptabel“ – besonders bei Senioren.
  • Der Gedanke: Mit zunehmendem Alter steige der Blutdruck „natürlich“ an und müsse nicht unbedingt behandelt werden, solange keine Symptome auftraten.
  • Man befürchtete, dass zu starkes Senken bei älteren Menschen Durchblutungsprobleme im Gehirn oder Herz auslösen könnte.

2. Wandel ab 2000er

  • Große Studien wie SHEP, HOT und HYVET zeigten, dass auch bei älteren Menschen ein niedrigerer Blutdruck (unter 140/90 mmHg) das Risiko für Schlaganfall, Herzinfarkt und Nierenschäden deutlich senkt.
  • Die WHO und die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) senkten ihre Zielwerte:
    • Optimal: < 120/80 mmHg
    • Behandlung ab ≥ 140/90 mmHg, auch im Alter – sofern verträglich.

3. Neuere Entwicklungen (ab ca. 2017)

  • Die US-Leitlinien (AHA/ACC 2017) gingen noch weiter:
    • „Normal“: < 120/80 mmHg
    • Hypertonie ab 130/80 mmHg → Das führte zu einer höheren Zahl offiziell diagnostizierter Hypertonie-Fälle.
  • In Europa blieb man konservativer: Erst ab 140/90 mmHg gilt die Diagnose, Werte zwischen 130–139 / 85–89 mmHg heißen „hoch-normal“.
  • Für ältere Menschen (>65–80 Jahre):
    • Zielwerte zwischen 130 und 139 mmHg systolisch, wenn gut verträglich.
    • Oberhalb von 80 Jahren können Werte bis 140–150 mmHg toleriert werden – aber nur nach ärztlicher Einschätzung.

4. Grund für die Anpassungen

  • Bessere Datenlage: Langzeitstudien belegten, dass schon leicht erhöhte Werte (ab ~135/85) das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigern.
  • Technischer Fortschritt: Blutdruckmessgeräte sind heute genauer und erlauben auch Langzeitmessungen, wodurch Frühdiagnosen zuverlässiger werden.
  • Präventionsgedanke: Früherkennung und frühe Behandlung können Folgeschäden verhindern – deshalb tendieren Leitlinien eher zu strengeren Zielwerten.

Kurz gesagt:

  • Früher: Man ließ im Alter höhere Werte „durchgehen“ (z. B. 150–160 mmHg systolisch).
  • Heute: Studien stützen die Empfehlung, auch im Alter möglichst nahe an 130–139 mmHg zu bleiben – wenn es die Gesundheit erlaubt.